Ahnherr vieler Markgräfler Familien
von Philipp Hieber, Lörrach
Die Bauhins (auch Bauhinus,Bauhn,Bohin,Boin) stammen aus Amiens in der Picardie. Der älteste Bauhin, der sich mit seiner Frau Jeanne Fontaine im Jahre 1541 als Arzt in Basel niederliess, wurde der Vorvater vieler Basler und auch markgräfler Familien. Das Geschlecht hat sich mit seinen Söhnen vor allem stark verbreitet nach Südfrankreich, ins württembergische Mömpelgard, ja nach Preussen. Durch die Tochter Elisabeth, die sich mit dem Pfarrer Cherler in Binzen verheiratete, greift das Geschlecht auch zu uns in die Markgrafschaft. Die Tochter des Pfarrers Cherler und der Elisabeth Bauhin, Rebekka Cherler, heiratete den Pfarrer Fökler von Oetlingen. Deren Söhne wieder (es sei hier nur eine Linie aufgeführt) heiraten in die Familien Rosskopf, Fecht, Gmelin, Drairis, Hieber. Sodas also alle Familienforscher, die Beziehungen zu den genannten Namen haben, sehr wahrscheinlich auch Beziehungen zu dem Jean Bauhin aus Amiens haben. Aus diesem Grund soll hier einmal dessen Leben etwas nachgegangen werden.
Bauhin war Arzt, man nannte ihn in Basel „das welsch Dokterli zu Sankt Alban“. Über seine Frau Jeanne Fontaine, die in Ihrem Wappen einen Ziehbrunnen hat, müssten noch nähere Forschungen angestellt werden. Die meisten Vertreter des Geschlechts Bauhin waren Anatomen, Aerzte, Botaniker, Chemiker in praktischen Berufen oder als Hochschulprofesoren. Schon vor dem Johann Bauhin muss es in der Familie Aerzte gegeben haben. Er selbst studierte bei einem Onkel in Paris die Medizin, und es wird noch ein früherer Bauhin genannt, dessen direkte Beziehung zu unserem Bauhin allerdings nicht erwiesen ist, der als Leibarzt Karl VIII nach Italien begleitete (um 1490). Die Freude an der Medizin und den mit ihr zusammenhängenden Disziplinen hat sich dann über unseren Johann Bauhin hinaus 200 Jahre lang in der Familie fortgepflanzt. Des älteren Bauhin Sohn Johannes studierte in Basel, Tübingen, Montpellier und Oberitalien, wurde 1563 Arzt in Lyon, 1564 daselbst besoldeter Pestarzt, 1568 ist er Arzt in Genf, 1570 erscheint er in Basel, macht hier erste Versuche der Anatomie und geht 1571 als württembergischer Leibarzt nach Mömpelgard.
Sein Bruder (1560-1624) ist wohl der berühmteste Bauhin geworden. Da er eine grosse Rolle spielte an der Basler Universität, fliessen über ihn auch die Quellen sehr reichlich. Er hat sich aus kleinen Verhältnissen zu Ansehen und Wohlhabenheit emporgeschaft, begründete so eigentlich die Botanik an der Basler Universität, machte als erster botanische Exkursionen, gilt die ersten Anregungen zu Begründung eines botanischen Gartens und hatte wohl auch seine Praxis bei uns draussen im Wiesental und Kandertal, namentlich seit sich seine Schwester Elisabeth mit dem Pfarrer von Binzen verheiratet hatte und auch nach dessen Tod 1600 in Binzen wohnen blieb. Es wird von ihm vor allem gerühmt, dass er bei aller Berühmtheit das Verständnis für die Armenkranken behielt, und so können wir annehmen, dass er auch die Pestkranken in unserem Tal aufsuchte. Er war verheiratet mit der Tochter des württembergischen Kanzlers und Ritters Hektor Vogelmann von Mömpelgard. Die Liebesbriefe die er an seine Braut Barbara Vogelmann schrieb, sind noch erhalten und sind eine äusserst lebendiges Zeitdokument.
Der letzte Bauhin war wieder ein Johann Caspar, der 1735 zum Mitglied des grossen Rats in Basel gewählt wurde und 1753 in Berlin als Regimentsarzt in Diensten des grossen Fritz starb. Sein Sohn Emanuel starb ebenfalls als preussischer Regimentsarzt schon 1746. Mit diesen Bauhins starb das Geschlecht in der männlichen Linie aus.
Der erste Johanne Bauhin ist geboren am 24.8.1511 in Amies. Er studiert unter einem Onkel und unter Jakob Shlvius in Paris und erlangt als Arzt und Chirurg bald grosses Ansehen. Er flieht, da er heimlich zum Protestantismus neigt, 1538 nach England, dann nach den Niederlanden und kommt 1540 den Rhein herauf nach Basel. Er war schon vor seiner Flucht vom Adel des Landes zu Rate gezogen worden, ja auch vom Hofe in Paris, u.a. auch von Margareta von Navarra, der Schwester Franz I. Im Jahre 1532 wurde er mit der Bibelübersetzung des Erasmus bekannt - und das ist nun zur einschneidenden Erscheinung geworden. Er bekannte sich zur neu aus Deutschland aufkommenden Lehre, vielleicht sogar gestärkt durch die Gunst der Margareta, die ja auch der neuen Lehre zugetan war. Und so begann auch für ihn, wie später für viele Calvinisten in Frankreich, die Jahre der Sorge und Unruhe. Aus England kurz zurückkehrend, heiratet er die Jeanne Fontaine, die ihm dann in seinen unruhevollen Fluchtjahren eine treue Gefährtin war. Er wird in Paris entdeckt und wandert für eineinhalb Jahre ins Gefängnis. Er sollte verbrannt werden. Als Gefangener wird er zu Margareta geholt, seiner früheren Gönnerin, die schwer krank war. Auf ihre Fürbitte hin wird er enthaftet, mut aber dann nach langer Krankheit wieder fliehen. Er geht nach Lothringen dann nach Antwerpen, wo er medizinische Vorlesungen hielt und praktizierte. Die spanische Inquisition vertreibt ihn aber auch von dort. Gewarnt zieht er wieder und kommt so, Asyl suchend, nach dem freien und protestantisch gesinnten Basel. 1541 liess er sich hier als Arzt nieder und starb daselbst 1582. Anfangs ging es ihm in Basel nicht gut. Zwar wird er schon 1542 Basler Bürger, verdient aber seinen Lebensunterhalt durch Korrekturen bei Buchdrucker Froben. Doch bald wurde er durch seine Praxis bekannter und wird 1575 honoriscausa Doktor, ohne richtig promoviert zu haben, ferner Aggregatus und consiliarius. Es scheint, dass sich zunächst die zünftige Wissenschaft etwas gegen ihn stellte, weil er Ausländer war, als besonders eifriger Ketzger galt und natürlich nicht die Basler übliche Stufenleiter durch-messen hatte. Das wurde dann, als seine Söhne heranwuchsen, besser - und diese haben sich ja dann in höchsten Würden der Basler Universität hineingearbeitet.
Das „welsche Dokterli zu Sankt Alban“ hinterliess ausser seinen Söhnen Johann und Caspar noch drei Töchter, von denen zwei die Brüder Battier heirateten, die Elisabeth den Pfarrer Paulus Cherler von Binzen. Vater und Mutter Bauhin lebten bis zu ihrem Tode (1582) im Hause ihres Sohnes Caspar . Der Vater ist im Kreuzgang im Münster be-graben. Seine Kinder und Schwiegersöhne setzten ihm ein Epithaph, das noch einmal sehr schön das bewegte Leben des Vaters aufnimmt und auf seine ausgeprägte Frömmigkeit hinweist. Die Schilderung bei Hess (siehe unten) zeigt ein solid gegründetes Bürgerhaus, dessen Grundzug Einfachheit bei allem Wohlstand war, Fleiss, Pflichtgefühl und Religiosität. Besonders gerühmt wird die in Trübsal erprobte Frömmigkeit des alten Bauhin, der zu sagen pflegte, er habe oft durch seine Gebete mehr zur Heilung der Kranken beigetragen, als durch seine Arzneien.
Quellen: Handschriftliches vom ältesten Bauhin in der Handschriftenabteilung der Basler Universität war nicht zu finden. Ebenso nichts von seiner Frau und seiner Tochter die den Pfarrer in Binzen heiratete. Wohl aber gibt es Handschriften der andern Bauhins und des Pfarrers Cherler selbst. Sehr wertvolles Material über die Bauhins Vater und Sohn bringt Burkhardt in einer Geschichte der medizinischen Fakultät zu Basel 1460-1900 (Basel 1917). Gerade über den alten Bauhin berichtet auch Hess in den „Beiträgen zur vaterländischen Geschichte“ , Band 7 vom Jahre 1860: „Kaspar Bauhins Leben und Charakter“. Ein Buch von Degres „Les deux Bauhins“ ist in Basel zwar aufgeführt, aber nicht zu finden. Eine Stammtafel der Familie brachte der Leiter der Handschriftenabteilung der Universität Basel heraus, Dr. Carl Roth. Wappen und Stammbaum finden sich jetzt auch bei Stähelin, Wappenbuch der Stadt Basel.
Epitaphe: Im Kreuzgang sind eine ganze Reihe Epitaphe von Bauhinangehörigen, die z.T. recht gut erhalten sind in Schrift und Wappen. Zur Zeit wird die Schrift aller Epitaphe im Münster überprüft von Peter Buxtorf, dem ich auch die folgende genaue Abschrift der Grabschrift des ältesten Bauhin danke. Die Tafeln sind auch fast alle photographiert und in guten Abzügen erhältlich.
Die Bauhinwappen sind - allerdings mit einigen Fehlern - so bei Tonjola „Basilea sepulta“ abgedruckt. Für die Bauhin finden sich zwei verschiedene Wappen. das eine, einfachere, zeigt eine aus Wolken kommende Hand, die mit einem Hammer auf einen Amboss schlägt. das andere zeigt dazu noch drei rechte Hände ohne Zutaten.
Es sei hier das Epitaph des ältesten Bauhin wiedergegeben mit den einzufügenden zum Verständnis mötigen Ergänzungen, wie sie mir Buxtorf auslegte.
„Christo sacrum
Johanni Bauhino, Ambiano, clinco, eleganti, chirurgo felici,
40 annorum uso atque fructu civitatis Basiliensis,
quam sincerae pietatis studio anno aetatis 32 primum incolere
ceperat, gratiose adapto
Joammae item Fontaneae
quae menses vis 11 sed octannio minor supervixit,
ut thori et pergrinationis, sic beati quoque reditus soeiae
Fidissimae,
Jannes et Casparus, Filii, medici,
eum tribus sororibus eorumque maritis moestissimi posuerunt
biit pater 23 januarii, mater 30 dezembris 1582“
Zu deutsch:
„Dieses Christus geweihte Grab errichteten
für Johannes Bauhin aus Amiens, den geschickten Kliniker,
den glücklichen Chirurgen, der 40 Jahre lang im Genuss des
Basler Bürgerrecht stand-
Voll Eifer und aufrichtiger Hingabe hatte er im 32 seines
Lebens hier seinen Wohnsitz aufgeschlagen und hatte es [das
Bürgerrecht - ] durch seine Beliebtheit errungen -
- sowie für Johanna Fontanea, die ihn für kaum elf Monate
überlebte - Sie war aber acht Jahre jünger - seine treue Gattin und
Gefährtin nicht nur in der Fremde, sondern auch bei der glücklichen
Rückkehr
ihre Söhne, die Aerzte Johannes und Caspar
und drei Schwester und deren Gatten in tiefer Trauer.
Der Vater starb am 23. Januar, die Mutter am 30. Dezember 1582“
Wohnung: Die Bauhins wohnten in Basel in der Sankt Johann-Vorstadt, und zwar in einem Teil zwischen Johanniter-Brücke und Drei-König, in dem früher viele Patrizierhäuser standen. Zunächst wohnten Sie in Miete in der Sankt Johann-Vorstadt Nr. 5 neben dem Reinacher Hof. Drei Häuser gleich hinter dem Totentanz bildeten früher einen einzigen Block, die jetzigen Häuser Nr. 3,5 und 7, nämlich der Reinacher Hof und die sogenannten „beiden Ulm“. Vom Hof aus sieht man vor allem auch am Dach, dass es sich um einen einheitlichen grossen Gesamtbau handelt. Im Mittleren Ulm (also Nr. 5) wohnten der alte Bauhin mit seiner Frau Jeanne Fontaine und der Familie seines Sohnes Caspar bis zu seinem Tod.
Die Häuser dieses Strassenteils stehen auf den Grundmauer mittelalterlicher Vorstadtsiedlungen. Bis 1481 waren sie im Besitz von Adligen, dann von Achtbürgen und Rittern, seit 1567 auch von Bürger, Einer der ersten bürgerlichen Bewohner - wenn nicht gar der Erste - war Bauhin senior. Ein späterer Bauhin, Johann Caspar, hat dann zum Haus Nr. 5, in dem also seine Vorfahren wohnten, noch das Haus Nr. 3, also den heutigen Reinacher Hof zugekauft, den schönen grossen Besitz, der früher „ze Landsberg“ hiess und seit 1590 in händen der Familie Reinach war. Die äussere Fassade des Reinacher Hofs ist gut erhalten und hat wohl auch das Aussehen wie in früheren Zeiten. Das Haus Nr. 5 ist aussen vollständig modernisiert und entsprechend farblos. Es schliesst aber vermutlich noch das alte, sehr behäbige und breite einladene Treppenhaus ein. Man kann leicht in den Hof und in das Treppenhaus kommen. In dem Band 22 der Bücherfolge „Das Bürgerhaus in der Schweiz“ sind eine ganze Reihe wertvoller Hinweise auf dieses alte Bürgerhaus mit Grundriss, Zeichnungen und Photograpien. Decken findet man da abgebildet und Gitter, eine Herme aus Haus Nr. 5, dazu kunstvolle Oefen. Im historischen Museum steht, wie es dort heisst, ein Ofen aus dem Reinacherhof. Ein kunstvolles Gitter befindet sich im Hof des Staatsarchives.
Quelle: Zeitschrift Markgräflerland, Jg. 7, Heft 4, Oktober 1936, S. 131-134;